Allein in den Chiemgauer Alpen mussten 2018 mehr als zehn Hunde mit teils sehr aufwändigen Einsätzen aus sehr gefährlichem Gelände gerettet werden. Nationalparkmitarbeiter und Retter der Bergwacht berichten über die „tierischen“ Einsätze ... Foto: Bergwacht Berchtesgaden
Barry wurde zwei Wochen, nachdem er in den Bergen in Not geraten war, gerettet
Völlig abgemagert und nur noch Haut und Knochen - so sah Berner-Sennen-Mischling „Barry“ im August 2018 aus, nachdem er knapp zwei Wochen in den Bergen des Berchtesgadener Nationalparks verschollen war. Barry war seiner Besitzerin, einer Urlauberin aus Baden-Württemberg, beim Abstieg von einer Hütte hoch über dem Königssee entwischt. „Nachdem ich Barry aus den Augen verloren hatte, hörte ich erst noch einen Beller, dann ein Winseln und dann nichts mehr“, erzählt die 27-Jährige, „Ich bin ihm zuerst nachgeklettert, aber das Gelände war zu steil. Dann habe ich Barry immer wieder gerufen, aber er reagierte nicht mehr. Ich bin davon ausgegangen, dass er abgestürzt ist“.
Dabei lebte Barry noch! Der Rüde hatte sich in einem sehr steilen Hang direkt über einer gefährlichen Absturzkante in eine ausweglose Lage gebracht, aus der er sich alleine nicht befreien konnte. Immer wieder hörten Wanderer und Nationalparkmitarbeiter das verzweifelte Bellen des Mischlings. Doch dann, wenn die Suchtrupps ausrückten, verstummte der Hund. „Am Ende war es großes Glück, dass ich zur richtigen Zeit an die richtige Stelle geschaut habe“, berichtet Revierleiter Tilman Piepenbrink. Der Förster suchte elf Tage nach dem Verschwinden des Hundes nochmals mit einer Wärmebildkamera das Gelände ab, als ihm ein kleiner, heller Punkt auffiel.
Ein sechsköpfiges Team stieg sofort zu der Stelle auf. „Für die Rettungsaktion haben wir drei 60 Meter lange Seile verbaut“, erläutert Ranger Fritz Eder, der sich schließlich 40 Meter zu Barry abseilte und den Hund in einem speziellen Tragesystem sicherte. „Bei seiner Rettung war Barry völlig apathisch, er hat mich gar nicht mehr richtig wahrgenommen und sich nicht mehr bewegt“, erzählt der Ranger von der fünfstündigen Rettungsaktion.
Hunderettungungen sind in den Bergen ziemlich aufwändig
Das Rettungsdrama von Barry war 2018 kein Einzelfall - allein in der Bergwacht-Region Chiemgau, die auch für Berchtesgaden zuständig ist, mussten die Bergretter mehr als zehnmal ausrücken, um verunglückte Vierbeiner zu retten - so oft wie noch nie zuvor in einem Jahr. Derartige Einsätze werden normalerweise von Hundeführern der Bergwacht durchgeführt, da sie sich mit den Vierbeinern am besten auskennen.
Diese Lawinenhundeführer haben für ihre eigenen Hunde spezielle Fluggeschirre und Maulkörbe, die sie auch bei den tierischen Rettungseinsätzen verwenden. „Weil immer mehr Menschen den Ausgleich vom Alltag in den Bergen suchen, werden auch immer mehr Hunde mit auf Tour genommen“, beschreibt David Pichler, Geschäftsführer der Bergwacht Chiemgau, die prekäre Situation, denn: „Die rettungstechnischen Konsequenzen, wenn ein Hund ausbüxt oder sich verletzt, gleichen mitunter der Rettung einer verunglückten Person, vor allem was Zeit, Einsatzkräfte und Material angeht. Da sich die Tiere meistens in entlegenem, schwer zugänglichem Gelände befinden, aus dem sie sich selbst nicht mehr befreien können, sind Einsatzzeiten von vier bis zu siebeneinhalb Stunden keine Seltenheit. Teilweise waren diesen Sommer bis zu sieben Einsatzkräfte je Tierrettung involviert.“
Eine schwierige Situation, denn vor allem in der Hauptsaison müssen die ehrenamtlichen Retter bei derartigen Einsätzen eine zweite Mannschaft für mögliche weitere Alarmierungen in Bereitschaft halten.
Im Fall von Hunderettungen fallen zwischen 280 Euro und 1125 Euro an Kosten an. Kommt noch ein Hubschraubereinsatz dazu, kann die Rettung noch sehr viel teurer werden. „Wenn die Hundebesitzer keine entsprechende Versicherung haben, müssen Sie die Kosten selbst tragen. Leider kam es im letzten Jahr in manchen Fällen zu Abrechnungsproblemen mit den Verantwortlichen. In einem Fall musste sogar der Tierschutzverein die Kosten des Bergwachteinsatzes übernehmen“, so Pichler bedauernd.
Teure Einsätze, Bergwacht oft stundenlang gefordert - Besitzer wollen nicht zahlen
Nicht so bei der Rettung des Bayerischen Gebirgsschweißhundes Zorro. Der eineinhalbjährige Jagdhund war gegen Mittag bei einer Wandertour auf das Ristfeuchthorn (Berchtesgadener Land) plötzlich aus seinem Halsband geschlüpft und in einem Buchenwald einer Fährte bergab durch steiles, felsdurchsetztes Gelände und eine Felsrinne gefolgt. Die Besitzer, zwei Urlauber aus Brandenburg, warteten zunächst ab, ob der Hund wieder zurückkommt - vergeblich.
Die beiden stiegen dann wieder ab, wobei sie Zorro bellen hörten, aber nicht sehen konnten. Der Mann versuchte über eine Rinne zum Hund aufzusteigen, konnte ihn aber nicht erreichen und verletzte sich dabei auch noch am Unterarm. Das ist übrigens mit ein Grund, warum die Bergwacht auch für Hunde ausrückt: „Mit der Rettung von Hunden retten wir indirekt auch Menschen, da die Besitzer ihr Tier unter keinen Umständen am Berg zurücklassen wollen. Sie versuchen dann mit oft gefährlichen Aktionen selbst, ihre Tiere zu finden und ins Tal zu bringen und können sich dabei selbst verletzen.“
Glück für das betroffene Ehepaar, das in seiner hilflosen Lage schließlich einen Notruf absetzte. Zwei Rettungsmannschaften stiegen auf und hörten den Hund immer wieder bellen
und winseln. Die erste Suchmannschaft konnte das Tier von unten aber nicht erreichen; die Zweite ließ deshalb zunächst einen Retter am Seil gesichert rund 50 Meter tief zur Felswand ab. Er konnte
Zorro notdürftig sichern, schaffte es aber trotzdem nicht, dem Rüden nach oben zu helfen.
An einer flacheren Stelle wurde deshalb ein zweiter Retter abgelassen, der dann zusammen mit dem ersten seilgesichert mit dem Rüden durch die steile, mit Felsen durchsetzte Wand aufstieg. Sieben Einsatzkräfte waren dabei über vier Stunden lang gefordert. Gegen Abend konnten die überglücklichen Urlauber Zorro endlich wieder in Empfang nehmen. „Für diese Besitzer spielten zu keiner Zeit die anfallenden Kosten eine Rolle, sondern allein das Wohl der Retter und des Hundes. Sie waren so dankbar, dass sie die gesamte Mannschaft zum Abendessen ins Gasthaus einluden, wo der Einsatz in geselliger Runde gemütlich ausklang“, freut sich der beteiligte Bergwachtmann Matthias Wich.
Tyson muss per Trage und Seilzug aus Schlucht gerettet werden
Am selben Berg war auch Urlauberhund Tyson abhanden gekommen. Zwei Tage lang wurde der Rüde vermisst, bis ihn Wanderer 20 Meter hoch über der Weißbachschlucht in einem absturzgefährdeten Hang entdeckten.
Eine aufwändige Rettung begann: Die Retter querten, an Seilen gesichert, den Gebirgsbach und arbeiteten sich mit Seilgeländern durch das schwierige Gelände zum verunglückten Tier vor. Ein Hundeführer sicherte den völlig erschöpften Tyson in einem speziellen Fluggeschirr, bevor er am Seil aus dem Hang, über den unwegsamen Bach und auf der Gebirgstrage festgeschnallt aus der Schlucht und zu einer Tierklinik transportiert wurde.
Diva hatte sich verletzt versteckt - Bergwacht sucht über sieben Stunden
Diva, die zehnjährige Huskyhündin, entwischte ihren Besitzern bei einer Bergtour. Am sogenannten Teufelsgemäuer (Berchtesgadener Land) wurde die Hündin schon mehrere Stunden und über Nacht vermisst. Immer wieder war ihr Heulen im extrem steilen Gelände zu hören, aber Diva war nicht zu sehen. Die Besitzer baten, der Verzweiflung nahe, schließlich auch die Bergwacht um Unterstützung.
Vier Einsatzkräfte rückten aus und durchkämmten stundenlang, am Seil gesichert kletternd, die gesamte Westwand. Nur durch Zufall entdeckten die Bergretter die am Hinterlauf verletzte Hündin, die sich unter einem sehr dichten Fichten-Bäumchen versteckt hatte. Mit einem speziellen Geschirr wurde Diva auf den Rücken eines Retters gepackt, über den steilen Hang hinauf zum Fahrzeug getragen und schließlich den glücklichen Besitzern übergeben. Auch dieser Rettungseinsatz dauerte über siebeneinhalb Stunden.
"Besitzer sind meistens unaufmerksam und die Hunde nicht angeleint"
Nach den Gründen gefragt, warum denn so viele Hunde gerettet werden mussten, antwortet Marcus Goebel, Sprecher der Bergwacht Chiemgau: „Nach meinen Erkenntnissen handelt es sich in der Regel um die Unaufmerksamkeit der Hundebesitzer, die ihre Hunde nicht an der Leine führen. Gerade im Gebirge ist sehr viel Wild unterwegs, das, nachdem es durch die Wanderer aufgescheucht wurde, flüchtet. Mancher Hund setzt, seinem Instinkt folgend, dem Wild hinterher. Dass es hierbei zu Unfällen der Hunde, bis hin zu Abstürzen, kommt, ist nicht auszuschließen.“
So wie im April am Königsbach-Wasserfall. Der dort abgestürzte Chihuahua eines amerikanischen Urlauberpaares konnte nach Tagen leider nur noch tot geborgen werden. Das sei aber die Ausnahme, so
Goebel. Ein Interview zum thema mit Marcus Goebel findest du unter diesem Link: Notfall: rettet die
Bergwacht auch meinen Hund?
Vierbeiner in Bergnot? Hier sind Tipps für den Ernstfall:
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So kann ich verhindern, dass mein Hund am Berg davonläuft:
Hunde sollte man beim Wandern aus zwei Gründen lieber am Geschirr als am Halsband anleinen: zum einen können sie aus einem gut sitzenden Geschirr schlechter herausschlüpfen, zum zweiten birgt ein Halsband im Gebirge bei einem Absturz oder beim Verfangen Strangulierungsgefahr. Immer sollte man daran denken, dass viele neue Gerüche und auch wilde Tiere in fremdem Gelände die Hunde zum Weglaufen animieren könnten - also besser anleinen, wenn man sich nicht ganz sicher ist. Auch ausgelassenes Spielen sollte man besser vermeiden, viele Hunde haben kein Gespür für absturzgefährdete Stellen und laufen vor lauter kopfloser Spielfreude evtl. ins Verderben.
- Und wenn’s doch passiert? Direkter Ansprechpartner für eine Hunderettung wäre die örtlich zuständige Bergwacht, die in Bayern unter Notruf 112, in Österreich unter Notruf 140 erreichbar ist. Sofern ein Hund abgestürzt ist, sollte der Hundehalter immer eine mögliche Eigengefährdung ausschließen, um bei dem Versuch, an sein Tier zu gelangen, nicht selbst Schaden zu erleiden
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Wann rettet die Bergwacht meinen Hund?
Für die Rettung eines Hundes aus Bergnot müssen bei den Bergrettern entsprechende Kapazitäten der zuständigen Bergwacht vorhanden sein, und die Rettung muss für die Bergretter ohne besondere Risiken sein. Grundsätzlich werden auch Tiere gerettet, sofern die Eigengefährdung der Bergretter hierbei für jeden einzelnen Bergretter vertretbar ist. In Anbetracht der begrenzten Kapazitäten bei der Bergrettung hat die Rettung von Menschenleben stets Vorrang.
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Wer zahlt den Einsatz?
Die Kosten für die Rettung eines Hundes hat grundsätzlich immer der Hundehalter zu tragen. Sofern dieser eine Bergekostenversicherung abgeschlossen hat, können diese an die Versicherung weitergereicht werden. Achtung bei Abschluss der Versicherung: Vorher genau über die Versicherungsbedingungen informieren, zum Beispiel ob die Bergekosten auch ohne einen vorherigen Unfall übernommen werden, manche Versicherungen zahlen die Bergung nur nach Unfällen (z.B. mit Autos) oder wenn die Hunde verletzt sind.
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ubaTaeCJ (Dienstag, 06 September 2022 15:11)
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ubaTaeCJ (Dienstag, 06 September 2022 18:42)
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